Risikoreiches Betreibermodell
Hotelbetreiber suchen neue Geschäftsmodelle. Sie haben genug von der frustrierenden Beziehung zu Investor und Hotelkette. Sie möchten selbst ins Management einsteigen und das Risiko abwälzen.
Gudrun Schlenczek – Interview mit Dr. Marcus Frey
Zu viel Risiko: Hotelbetreiber haben genug von ihrer Position zwischen Kette und Investor.
Während Hotelketten weitere Managementverträge mit Investoren ankündigen, müssen erste Hotelbetreiber Konkurs anmelden. Denn diesen obliegt das eigentliche betriebliche Risiko. Sie sind es, die sicherstellen, dass der Investor zu seiner Rendite kommt und der Hotelkettenbetrieb geöffnet bleibt. Investoren wollen den Ertragswert ihrer Immobilie nicht schmälern und kommen ungern bei der Miete entgegen. Diese ist bei der aktuellen Belegung in den Städten selbst bei einem ausgeglichenen GOP aber nicht mehr finanzierbar.
Ein Ausweg ist schwierig, keiner der Beteiligten will oder kann Zugeständnisse machen. Hotelbetreiber haben genug von dieser ungleichen Partnerschaft und suchen nun nach neuen Geschäftsmodellen. Eines ist, es den Ketten gleichzutun und selbst ins Management einzusteigen. Wie Martin Studer, Swiss Hospitality Management AG, der drei Hotels im Franchise führt: Er will den Anteil Managementverträge ausbauen. «Unser Geschäftsmodell ist durch die Pandemie und deren Folgen innert kürzester Zeit zerstört worden », so der Hotelbetreiber. Hotelbetreiber suchen neue Geschäftsmodelle: Hotelbetreiber haben genug von der frustrierenden Beziehung zu Investor und Hotelkette. Sie möchten selbst ins Management einsteigen und das Risiko abwälzen.
Investoren vertrauen Hotelketten. Das zeigen jüngste Projekte gut: Das «Palace Engelberg Titlis » eröffnet im Frühjahr 2021 unter der Marke Kempinski, in Zürich wird ein Traditionshaus der Luxusklasse, das «Savoy Baur en Ville», zu einem Mandarin- Oriental-Betrieb. Die Hotelketten liefern den Namen und sichern sich das Management gegen Honorar, das Risiko tragen andere: der Investor für sein eingesetztes Kapital, das eigentliche betriebliche Risiko liegt jedoch beim Hotelbetreiber als Pächter sowie Lizenz- oder Franchisenehmer. Er ist es, der sicherstellt, dass der Investor zu seiner Rendite kommt und der Hotelkettenbetrieb seine Türen offen halten kann. Eine Sandwichposition, die, wenn der Markt nicht spielt, schnell zum Schleudersitz werden kann.
So ergangen den Betreibern der beiden in Insolvenz gegangenen Swissôtel in Zürich und Basel. Accor verkündete daraufhin, zusammen mit dem Eigentümer der beiden Liegenschaften einen neuen Hotelbetreiber zu suchen. Bei den bisherigen und nun in Liquidation stehenden, der Hotel International Oerlikon AG und der Le Plaza Basel-Stadt AG, sitzt der Schock tief. Stephan Kurmann, Verwaltungsrat beider Gesellschaften, schätzt, dass «je nach Verlauf von Corona wahrscheinlich noch viele in der Branche das Schicksal mit uns teilen müssen». Von Partnerschaft kann unter diesen Umständen kaum die Rede sein. Marcus Frey, Managing Partner des Beratungsunternehmens CFB Network AG, betont, dass die Zusammenarbeit zwischen Eigentümer und Betreiber in der Hotelindustrie langfristig ausgerichtet sei. «Die Bindung sollte Systemkrisen, wie wir sie jetzt mit Corona haben, überwinden können.» In dieser ausserordentlichen Situation sei «Opfersymmetrie » gefragt: «Alle involvierten Parteien müssen ihren Beitrag leisten.»
Hotelkette kann mehr Risiko eingehen, da sie es nicht trägt: Ein neuer Hotelbetreiber werde die Situation keineswegs verbessern, ist Guglielmo Brentel, H&G Hotel Gast AG, überzeugt: «Ich denke nicht, dass aktuell ein Betreiber in der Lage ist, diese Häuser zu führen.» Oft werden «Schönwetterrechnungen » gemacht, um einen Vertrag zu erhalten. «Das kann sich aktuell keiner leisten.» Dass die Hotelkette bei dem Spiel mitmacht, verwundert den Ex-Präsidenten von HotellerieSuisse nicht: «Sie trägt oft nicht die Betriebsverantwortung – und kann deshalb auch mehr Risiken eingehen.» Doch eigentlich spielt die Hotelkette bei dieser Dreiecksbeziehung zunehmend eine untergeordnete Rolle. «Der Hotel-Brand hat auf den wirtschaftlichen Erfolg eines Betriebes meist kaum einen grossen Einfluss», meint Brentel.
«Der Immobilienbesitzer will den Brand, nicht der Markt.»
Es ist auch nicht die Hotelkette, welche in der aktuellen Situation Druck auf den Betreiber ausübt. Selbst die umsatzabhängige Franchise-Fee fällt in der Betriebsrechnung nicht dermassen ins Gewicht. «Der Druck trotz der aktuell fast ausweglosen Situation kommt von den Eigentümern, indem diese auf der bisherigen Miete bestehen », so Martin Studer, Managing Partner der Swiss Hospitality Management (SHM) AG, die drei Hotels im Franchise führt. Bei einem Umsatzrückgang von 80 bis 90 Prozent reiche selbst ein dank massiver Kostenreduktion und Kurzarbeit positiver GOP nicht zur Bezahlung einer marktgerechten Miete aus.
«Unser Geschäftsmodell ist durch die Pandemie und deren Folgen innert kürzester Zeit zerstört worden. Wie und warum sollen wir das Geschäftsmodell des Eigentümers am Leben erhalten?», so Studer.
Das heutige Pachtmodell wird im Zuge von Corona für Hotelbetreiber immer unattraktiver. Sie suchen bereits nach Alternativen. Eine ist, es den Hotelketten gleichzutun und selbst auf Management zu setzen – und das betriebliche Risiko wiederum jemand anderem zu überlassen. Martin Studer ist bereits im Gespräch mit Liegenschaftsbesitzern, die in den nächsten Wochen mit Konkursen ihrer heutigen Pächter rechnen. Der Hotelbetreiber ist bereit, in diesem Falle einzuspringen und das Management der Betriebe rasch zu übernehmen.
«Da neue Mietverträge momentan kaum abgeschlossen werden können, ist dies ein Modell, das dem Eigentümer den Betrieb während und über die Krise hinaus garantiert.»
Studer will langfristig bei seinem Unternehmen den Anteil Managementverträge ausbauen, gleichzeitig aber weiterhin auf die grossen Brands internationaler Hotelketten setzen. Potenzial im Managementmodell sieht auch die grösste Schweizer Accor-Franchisenehmerin, die SHRF SA. Hotels im Management zu übernehmen, gehört gemäss Direktor Vincenzo Ciardo zur neuen strategischen Ausrichtung. Bei einem solchen Modell würde der Betreiber – zum Beispiel anstelle der Hotelkette – das Managementhonorar kassieren, und der Immobilienbesitzer würde in der Regel dann die Löhne zahlen und auch sonst das betriebliche Risiko tragen. Obwohl gegenwärtig offensichtlich kein Gewinn erzielt werden kann, werden noch immer Stadthotels neu eröffnet – auch das wiederum wohl meist auf Druck des Eigentümers.
Marcus Frey rät explizit davon ab: «Neueröffnungen sollten wenn immer möglich verschoben werden, zu gross sind die Kompromisse, selbst bei Soft Openings.»
Ertragswert sinkt mittelfristig leicht: Der für den Hotelbetreiber aktuell tragbare Mietzins liegt i. d. R. weit unter dem vereinbarten Mindestmietzins. Dies führt zu tieferer Rendite für den Investor. Dieser muss mit seinem Finanzierungspartner verhandeln, wie über eine Sistierung der Amortisation. Zudem sinkt kurzfristig der Ertragswert der Immobilie. Das scheuen Investoren. Das Ausnahmejahr 2020 sollte bei Immobilienbewertungen bereinigt werden. Mittelfristig ist aber mit leichten Wertkorrekturen nach unten zu rechnen.